Autostadt Dingolfing
Die Glas GmbH geht - BMW AG kommt
Expansionsbestrebungen am 2.1.1967 zur offiziellen Übernahme der Hans Glas Automobilfirma durch die Bayerischen Motorenwerke AG, die damit einen ersten Schritt über die Münchner Stadtgrenzen hinaus vollzieht. Dingolfing kann aufatmen. Der befürchtete Niedergang ist gestoppt und eine verheißungsvolle Zukunft steht bevor.
Mit BMW siedelt sich ein aufstrebendes Unternehmen in Dingolfing an.
Dingolfing im Jahre 1967
11.439 Einwohner, 6 Millionen Mark Schulden in der Stadt und eine ungewisse Zukunft für die rund 4.600 Beschäftigten der Firma Glas. Ein Großteil der Neustadt ist noch unverbaut. Dennoch - die Stadt hat auch mit Hilfe von Glas eine bedeutende Infrastruktur erstellt. Bereits 1957 wird an einem modernen Abwasserkanal gearbeitet; vor Landshut und Regensburg. Das Isar-Wald-Stadion besteht seit 1955. Es gibt ein Freibad, weiterführende Schulen - wie Gymnasium (seit 1957), eine Realschule, sowie eine landwirtschaftliche und gewerbliche Berufsschule. Auch besitzt Dingolfing seit 1959 ein Museum. Als Kreisstadt des Altlandkreises Dingolfing ist die Stadt Sitz von Verwaltungsbehörden und hat bedeutende Marktfunktionen. Neben der Firma Glas sind u.a. eine Traktorenfabrik, eine Gießerei sowie eine Konservenfabrik ansässig.
Dingolfing ist seit 1967 größte Industriemetropole Niederbayerns mit qualifizierten Automobilhandwerkern und einem bereits bestehenden Einpendlerbussystem.
BMW und die Standortfrage
Entscheidender Faktor für die Investitionsbereitschaft von BMW war 1967 nicht die Rohstoff- und Absatzorientierung, sondern die Arbeitsorientierung. Standort ist entweder eine Stadt, oder ein industriearmes, infolge der geringen Beschäftigungsmöglichkeiten von der Arbeitslosigkeit bedrohtes Bauernland, wie dies in Niederbayern der Fall war. Qualifizierte Automobilbauer der ehemaligen Hans Glas GmbH und das nötige Arbeitskräftereservoir in Niederbayern sowie eine ausbaufähige Verkehrsanbindung boten für BMW beste Voraussetzungen für den weiteren Werksausbau.
Investitionen der Stadt-Vorleistungen
Die Entscheidung in Dingolfing ein komplett neues Automobilwerk auf der grünen Wiese zu erstellen, brachte für die Stadt anfänglich enorme Finanzierungsprobleme. Ausbau der Kanalisation, Bau eines Klärwerks, Wasser- und Energieversorgung, Wegenetzanbindung an das neue Werk, dreistellige Millionenbeträge mussten aufgewendet werden. Mit der Grundsteinlegung am 9.11.1970 beginnt sich das Gesicht der Stadt entscheidend zu ändern. In 3 Jahren wird auf einer Fläche von 1.000.000 qm ein komplett neues Fertigungswerk errichtet. Am 27.9.1973 läuft in Dingolfing das erste BMW Automobil vom Band.
Dingolfing - Prüfstein bayerischer Strukturpolitik
Hohe Abwanderungsquoten in Ostbayern, verdichtete Großstädte erfordern in den späten 60er Jahren neue Konzepte in der Strukturpolitik. Dingolfing ist ein markantes Beispiel für ein planerisch entworfenes Wirtschaftskonzept. Die Entscheidung Dingolfing als Industriestandort zu sichern und weiter auszubauen, ist für den ostbayerischen Raum der Startschuss einer bedeutenden Industriealisierungsphase nach dem 2. Weltkrieg. 1967 sind noch 26% der erwerbstätigen Bevölkerung in Niederbayern in der Landwirtschaft tätig. 1992 sind es noch 9%. Auch in der Stadt vollzieht sich dieser Wandel. Allerdings war Dingolfing bereits in den 50er Jahren eine Industriestadt. 1987 sind in der Stadt trotz der Eingemeindungen noch 190 Personen in der Landwirtschaft erwerbstätig. Sichtbarer Ausdruck der einst vorhandenen Agrarstruktur sind die Reste der Schwaigdörfer, die in die städtebauliche Entwicklung einbezogen sind.
Die Stadt baut auf...
Mit der politischen Neuordnung durch die Eingemeindungen im Jahre 1972, nach der Fertigstellung des Werkes 2.4 im Jahre 1973 beginnt langsam das "Wirtschaftswunder BMW" sichtbare Konturen anzunehmen.
Die Stadt spürt die positiven Auswirkungen des Industriestandortes vor allem in finanzieller Hinsicht. Die Gewerbesteuer - wichtigste Einnahmequelle einer Kommune - beginnt ab dem Jahre 1976 deutlich zu steigen. Seit 10 Jahren pendelt das Gesamtaufkommen jährlich im Schnitt bei 20 Millionen Euro. Damit ist das Haushaltsvolumen der Stadt auf das Engste bestimmt.
Infrastruktur/Erschließungsmaßnahmen
Bereits 1959 wird in Dingolfing eine moderne Abwasseranlage projektiert. In die Kanalisation und in den Bau einer zentralen Kläranlage wurden im Berichtszeitraum über 110 Millionen Mark investiert. Für eine weitere Ausbaustufe sind in den nächsten Jahren weitere 21 Millionen Mark vorgesehen.
Im Versorgungsbereich Trinkwasser wurde bereits vor 100 Jahren mit einer zentralen Anlage begonnen. Ein Trinkwasserbehälter, mehrere Pumpwerke, sowie 1973 der Bau der Industriewasserleitung für BMW erforderten Investitionen im Berichtszeitraum von 24.779.570 DM. Als Großabnehmer verbraucht das Werk die Hälfte der Gesamtwasserabgabe, die 1990 mit 2.356.984 cbm den höchsten Stand erreichte.
Ähnlich verhält sich der Energiesektor. Hier wurden 34.018.930 DM investiert. Bei einem Gesamtverbrauch von 3.430.000 Kilowattstunden nimmt sich der Verbrauch der Stadt mit rund 400.000 kWh bescheiden aus. Hochtechnologie, zunehmende Automatisierung in einem Automobilwerk erfordern große Mengen an Energie. Die Stadtwerke Dingolfing sind zweitgrößter Energieabnehmer der OBAG, der Ostbayerischen Energieversorgungs AG. Seit 1977 ist das Stadtgebiet an das Erdgasverbundsystem angeschlossen.
Die größte Investitionsleistung erbrachte die Stadt auf dem Verkehrssektor. Nur so konnte und kann der Strom von Einpendlern, der teilweise auch die Innenstadt tangiert, bewältigt werden. Ein Straßenbauprogramm, aufgestellt im Jahre 1954, erfuhr mit dem Bau der Westtangente 1976 erst seine eigentliche Umsetzung. Eine zweite Isarbrücke 1973 und der Bau der Osttangente, sowie eine großzügige Straßenanbindung im Nordwesten ermöglichen eine reibungslose Anbindung an die Industriewerke, wie auch an das Fernstraßennetz. Im innerstädtischen Bereich konnte durch den Tunnelbau zur Oberen Stadt ein wesentlicher Engpass beseitigt werden. Gesamtinvestitionen von 122 Millionen Mark wurden auf dem Sektor Verkehrserschließung getätigt. Dabei ist das städtische Wegenetz von 1970 mit 40.087 km zu unterhaltende Gemeindestraßen auf 107,6 km gestiegen. Es hat sich also mehr als verdoppelt. Damit ist das Verkehrsnetz voll ausgebaut, abgesehen von der in der Planung befindlichen Umgehungsstraße in Verbindung mit einer ebenfalls geplanten dritten Autobahnausfahrt der Bundesautobahn A 92.
Sport - Kultur - Freizeit
Das Caprima, seit 1983 der "Wasserschlager" in Ostbayern stellt die höchste Ausgabenquote in diesem Bereich. Sportstätten sind in Dingolfing bereits unter der Firma Glas gefördert und großzügig ausgebaut worden. Das Isar-Wald-Stadion wurde von 1953 - 1956 errichtet. Traditionen werden fortgeführt und weiter intensiviert. Gegenwärtig sind die Sporthalle Höll-Ost, das Eissportstadion, Mehrzweckhallen in Teisbach und Dingolfing, Stätten sportlicher Betätigung.
Öffentliche Bauten
Steigende Bevölkerungszahlen, damit verbundener Wohnraummangel, daraus resultierende Ansprüche an die Stadt erfordern eine gut funktionierende Verwaltung. 1983 erbaute die Stadt ein neues Rathaus. Den Anforderungen an die städtebauliche Entwicklung wird mit dem Bau eines neuen Bauhofes genauso Rechnung getragen, wie mit Maßnahmen zur Brandbekämpfung und öffentlichen Sicherheit. In den Umbau und Neubau von Schulen investierte die Stadt über 40 Millionen Mark, einschließlich dem Bau der neuen Musikschule. Für das soziale Netz, hier vor allem das Bürgerheim, wurden bis 1999 ca. 20 Mio. DM bereitgestellt.
Mit dem Bau des Rathauses entsteht 1983 zugleich die Stadthalle und das Jugendzentrum. Damit kann auf kulturellem Gebiet ein vielfältiges Angebot von Musik, Theater, Ausstellungen etc. erstellt werden. Neben den Investitionen für stadteigene Gebäude werden die örtlichen Vereine unterstützt.
BMW in Dingolfing - eine Jahrzehnte währende Partnerschaft
Die Stadt hat mit der Entscheidung von BMW im Jahre 1967 die Firma Glas GmbH zu übernehmen und den Industriestandort zu sichern und auszubauen, einen enormen Wirtschaftszuwachs erhalten. Der Impuls dieses Automobilwerkes reicht weit über die Stadtgrenzen hinaus. Ostbayern hat mit den Werken in Landshut, Dingolfing, Regensburg und Wackersdorf einen deutlichen Strukturwandlung erfahren. Ersichtlich wird dies an dem erheblichen Anteil der BMW Beschäftigten an der Wohnbevölkerung Ostbayerns.
Fassen wir rückblickend zusammen, so entsteht für die Stadt ein durchaus positives Bild. Einer Konzentration zu einer reinen Arbeiterstadt ist Dingolfing nicht gefolgt. Mit dem Erreichen der Endausbaustufe beginnt für die Stadt die Konsolidierungsphase. Geschaffenes zu erhalten und Neues sinnvoll zu planen und umzusetzen ist Aufgabe der Zukunft - in kooperativer Zusammenarbeit mit dem Standort Dingolfing der BMW Group.